Es ist kurz vor fünf Uhr morgens, ich habe Ferien und kann nicht mehr schlafen. Und ich glaub, ich weiß, was ich gleich tue.

Gestern wollte ich nach einem neuen Fahrrad schauen. Das alte war mir gestohlen worden, frisches Geld mir gegeben worden, und ich hatte mir selbst ein Limit von drei Monatskarten im Nahverkehr gestattet. Mein Zielrad sollte stabil sein und klar zeigen, dass wir nicht schnell sein wollen, und zwar so deutlich, dass es auch der schnellste Radlrechthaber schon von weitem sehen und entsprechende Maßnahmen einleiten kann.

(Hat man hier früher schon geklingelt, wenn man links überholt? Und war es früher schon üblich, rechts auf dem Gehsteig an einem vorbeizuschanzen, obwohl ich selbst schon ganz rechts auf dem Radweg fahre? Beides erschreckt mich. Oder war ich früher vielleicht nur selbst stets auf der Überholspur?)

Weil ich letztes Jahr in Zwolle die Freude am Radfahren wiedergefunden hatte, gab ich am Wochenende in die Suchmaschine „Hollandrad Herren“ ein und fand als Benchmark eines ohne Gänge außer dem einen, mit einem Ständer, der es wirklich stehen lässt zum Preis von knapp weniger als drei Monatskarten. Die Silhouette gefiel mir auch, dass es von einem bösen Discounter und zum Teil noch zerlegt war, gefiel mir nicht.

Ich gab noch „gebraucht“ ein und stieß auf die Fahrradwerkstatt einer Obdachlosenhilfe. Dort fuhr ich gestern mit dem Bus hin, später als geplant, weil der Tag so schön und die Begegnungen so besonders waren. (Unter anderem wurde ich zu einen Kaffee im Hof eingeladen, zog danach am Gartentisch meinem Gastgeber die Fäden aus seiner vernähten Augenbraue, dann sprachen wir über Alkoholismus in der Familie und Suizidselbsthilfegruppen, junge Liebe und alte Katzen – was Männer halt so reden.)

Es war kurz nach sechs, als ich mich im Werksgelände verirrte, und noch 15 Minuten bis Feierabend, als ich den Laden fand. „Viel haben wir grad nicht da“, sagte der Chef und ging mit mir nach draußen, wo sie die Räder wegbringen wollten. Da lugte es schon hinter ihm vor. Als er weg war, schauten wir uns an, dann ging ich wieder rein und bat um eine Probefahrt. „Aber in 5 Minuten sind Sie wieder da“, sagte man freundlich. War ich. Und dann fuhren wir zusammen heim.

Und jetzt geh ich runter und fahr mit Herkules in den Sonnenaufgang.

2 Replies to “Eine Fahrradliebe”

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